61er Bdx & Co.

Zu Beginn von 2010 trafen sich acht Weinnasen um einigen 61er-Bordeaux an den Kragen zu gehen. Damit der Spaß noch finanzierbar bleibt, haben wir das Line-up um Jahrgänge ergänzt, die nicht so hoch geahndelt werden, aber durchaus viel Spaß im Glas bringen können. Und genauso sollte es auch kommen, auch wenn neben dem Überflieger Petrus die 61er La Lagune und Lynch-Bages sicher die besten Weine des Abends waren. Insgesamt war ein tolles Weinerlebnis, das ermutigt auch weiterhin seine Nase in Gläser mit alten Bordeaux-Weinen zu stecken.

1 Domaine de Montcalmés Coteaux du Languedoc, 2000
Intensive Nase nach Schwarzbrot, dunklen Beeren insbesondere Brombeeren und Kirsch. Am Gaumen ebenso eine konzentrierte Frucht, viel Holz und auch Alkohol, eine richtige, leicht künstliche Kirschbombe, abschmolzene Tannine, was stört ist seine spitze Säure, der Wein ist wohl bereits leicht über seinen Höhepunkt hinweg.
84 Punkte (gut)

2 Chateau Leoville Poyferre Saint Julien, 1953
Heftiger Pferdestall, altes Holz, Waldboden, Pilze, wirkt fragil, im Hintergrund ein angenehmer Kräuterduft nach getrockneter Minze, Thymian und floralen Anklängen. Im Mund sehr schlank, ausgezehrt, etwas Kirschen, Unterholz, die Säure sticht unangenehm hervor, auch hier finden sich im Hintergrund wieder eine feine Kräuteraromatik, war mal ein sehr schöner Wein, heute aber drüber. Füllstand mid-shoulder.
81 Punkte (gut)

3 Chateau Troplong-Mondet Saint Emilion
Intensive rubinrote Farbe mit dunklen kirschroten Reflexen. Kaum Randaufhellung. Intensive Kaffeenoten, daneben Kirschkonfit — wunderschön gereift, wirkt noch sehr reintönig mit einer gewissen Frische. Nach einer Weile zeigen sich aber immer mehr Pilznoten und er wird von Minute zu Minute fragiler. Im Mund erstaunlich frisch (rüstig) mit einer feinen süßen Fruchtspitze, überaus feinporige und schmelzige Tanninstruktu, dahinter wieder deutliche Aromen von Waldpilzen und Unterholz. Gefällt mir auch aufgrund der schönen, kräuterigen Holzwürze sehr gut. Mittellanger Abgang mit ansprechendem Spiel. Nicht groß, aber eine positive Überraschung.
87 Punkte (sehr gut)

4 Chateau Cantenac Brown Margaux, 1948
Elegante, ungemein harmonische Nase mit einer schön gereiften Bdx-Frucht, so wie man sich Margaux vorstellt, verbindet sich gut mit medizinalen Töne, Waldboden und ein Hauch Pilze. Im Mund weniger Frucht, wird mehr von den Sekundäraromen bestimmt. Noch intakte Struktur, interessante Hommage von Kakao,Tabak und Zedernholz. Interessantes Geschmacksbild. Allenfalls im Hintergrund dunkle Waldfrüchte. Hat noch immer Spiel und gewisse Tiefe. Leider gewinnt im Abgang die Säure Überhand und macht dem Spiel ein jähes Ende. Trotzdem ein sehr guter Wein.
89 Punkte

5 Chateau Duhart Millon Pauillac, 1959
Zunächst intensiver Pferdestall, der mit der Zeit etwas abnimmt, ohne jedoch gänzlich zu verschwinden, schwarzer Tee, Kräuter. Im Mund leider ein Fehlton, der die anderen Aromen beeinträchtigt. Wirkt dadurch spröde. Man erahnt die eigentliche Eleganz und Struktur des Weines. Ich vergebe aber keine Punkte.

6 Chateau Montrose Saint-Estephe, 1959
Rubinrote Farbe, undurchscheinbarer Kern mit braunem Rand. Sehr harmonische, perfekt ausgewogene Nase nach sehr intensiver rotbeeriger Frucht, feinstes Kirschkonfit, sehr elegant und eindrücklich. Die Frucht wird wunderbar flankiert von fein-würzigen Holzaromen, Waldpilzen und einer rauchigen Mineralik. Die Nase besticht durch Tiefe, Kraft und Eleganz. Im Mund enttäuscht der Wein keinesweg, sondern überzeugt ähnlich wie in der Nase. Hochfeine und trotzdem intensiv-charmante Fruchtaromen nach Kirschen, Brombeeren und Cassis mit einer süßen Spitze. Die Säure ist präsent, aber keinesfalls störend. Zarte mineralische Noten und schmelzige Tannine begleiten den langen, sehr eindrücklichen Abgang. Endet auf einer Hommage aus Kirsche, Lakritz und komplexen Gewürzen. Einfach spitze, ein besonderer Verkostungsmoment.
92 Punkte (ausgezeichnet)

7 Chateau Calon-Segur Saint Estephe, 1966
Leicht animalische Nase, die sich trotzdem weich und wohl gereift präsentiert. Rauch, Schokolade, Brombeeren und ein leichter Lackton. Im Munde fällt direkt die reifen rotbeerigen Früchte auf, dann auch leider die spitze Säure. Der Wein hat seinen Höhepunkt bereits einige Jahr hinter sich, gefällt aber aufgrund seiner animierenden Schokoaromen und der Anklänge von Mineralik. Im weiteren Verlauf kommt gar eine Spur Schmelz auf und so macht der durchaus mittellange Nachhall viel Spaß. War vor 10 Jahren vermutlich noch ausgezeichnet, heute noch sehr gut.
87 Punkte (sehr gut)

8 Chateau Pavie Saint Emilion, 1961
Dunkles Ziegelrot, granatrote Reflexe mit breiter Randaufhellung. In der Nase deutlich oxidative Noten, ein ganzer Korb von Rosinen, Maggiwürze und Bratensaft. Nicht wirklich schön. Im Mund zeigt der Wein noch ein gewisse Struktur und Tiefe, jedoch überwiegen auch hier oxidative Noten, eine müde Süße von getrockneten Beeren, heftig viel Liebstöckel. Der Wein ist deutlich drüber. Schade. Trotz allem hat er noch eine gewisse Länge und Raffinesse, jedoch macht er nicht wirklich Spaß. Nicht alle Flaschen müssen in diesem Zustand sein, der Füllstand unserer Flasche (mid shoulder) war nicht wirklich gut. Pech, aber so ist es nunmal mit gereiften Weinen.
78 Punkte (ordentlich)

9 Chateau La Lagune Haut Medoc, 1961
Sehr saubere, fruchtbetonte Nase. Duftet nach Holunder, Brombeeren und Cassis; dahinter ein Hauch getrocknete Kräuter. Klassische, eher maskuline Medoc-Nase. Wunderbar. Ungemein saftiger Antrunk mit einem eleganten, fast noblen Früchtespiel aus allen möglichen dunklen Waldbeeren, mittelkräftiger Körper, sehr nachhaltig, nahezu straff am Gaumen, großes Spiel, langer Nachhall.
94 Punkte (ausgezeichnet)

10 Chateau Lynch-Bages Pauillac, 1961
Sehr vielfältige, wenngleich deutlich gereifte Nase: Cassis und Wachholder, Rosinen, etwas kompottige Noten, etwas Liebstöckel. Im Mund rustikaler als sein Vorgänger, aber mit einer sehr animierenden dunklen Beerenaromatik, sehr saftig, kräftige, aber durchaus angenehme Tanninstruktur, im Abgang feine Bitternoten und Zigarrenkiste, trocknent leicht aus. Mir gefällt aber sein kompromisslose Machart und erstaunlicherweise ein Wein der im Mund viel frischer wirkt, als in der Nase. Ein Männer-Wein, wenn ich mir dies mal erlauben darf.
92 Punkte (ausgezeichnet)

11 Chateau Petrus Pomerol, 1961
Dunkles Kirschrot mit alt-goldenen Reflexen, kompakter Kern, feiner Wasserrand. Kaum steckte ich meine Nase ins Glas, da erschauderte ich aufgrund seiner enormen Dichte und seinen extrem vielschichtigen Aromen. Die Nase ungeheuer intensiv und trotzdem frisch, klar und gestochen scharf gezeichnet. Junge Minze, reife Schwarzkirsche, facettenreiche eher dunkle Kräuterwürze, Tinte, Graphit und ein faszinierende Anflug von starkem Espresso streiten sich förmlich um den ersten Platz. Ein einmaliges Erlebnis. Im Mund auf einem ebenso ungeheuerlichen Niveau. Gleich zu Beginn enorm präsent, mit packender, zwingender Tiefe und Dichte, fast ein Extrakt von Wein, der aber auf Ballettschuhen daherkommt, so genial fein gezeichnet ist er. Intensives Kirschkonfit durchzogen mit feinen Kaffeenoten und ganz dunkler Schokolade. Ummantelt von komplexen kräuterwürzigen Holzaromen und einem markanten, aber sanftpfötigen Taningerüst. Im weiteren Verlauf abgrundtief, ständig wandelnde Aromen von enormer Dichte, die meinen Gaumen unglaublich beschäftigen. Die Säure reif und mild, gibt dem Wein aber genug Spannung. Der Abgang ist ewig lang und es blitzen in ihm nochmals alle Komponenten auf. Ein solchen Nachhall habe ich in meiner jungen Weinkarriere noch nicht erlebt. Keinerlei Alterserscheinungen, wird sich noch einige Jahr auf dem Niveau halten. Ein Meisterwerk.
98 Punkte (groß)

(Notizen von Rainer Kaltenecker)

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