Reifeentwicklung trockener Rieslinge – Jahrgang 2002

von Thorsten Mücke und Rainer Kaltenecker

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Der Anfang des Jahrtausends war zumindest aus Sicht des deutschen Rieslings äußerst gelungen. Neben → 2001 und → 2004 kann man seit einiger Zeit auch aus dem Jahrgang 2002 wunderschön gereifte Weine trinken. Das Jahr war recht warm, brachte aber auch viel Regen, leider auch in der Lesezeit. Im Ergebnis fiel 2002 recht unterschiedlich aus. Die Qualität ist sehr unterschiedlich, schwer einzukalkulieren, es hängt noch mehr als sonst von Winzer, Wein und Flasche ab. Das Jahr gilt nicht als groß, nicht als klein, aus 2002 kann alles kommen. In der Summe haben sich die Weine jedoch überwiegend positiv entwickelt und zeigen heute noch eine bemerkenswerte Standfestigkeit.

Mehr noch als eine Studie dieses Jahrgangs brachten die Weine des ersten Flights jedoch eine Lehrstunde in Terroirausprägung. Alle drei kamen vom Schiefer, und in all ihrer Reife zeigten sie das auch ganz deutlich mit viel Feuerstein, Schießpulver und Rauchigkeit.

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Der Georg Breuer Rüdesheimer Berg Schlossberg 2002 ist in der Nase zurückhaltend. Eine würzige Apfelfrucht, grüne Kräuter, Feuerstein, getrocknetes Gras, saubere angetrocknete Früchte, insgesamt hinterlässt das Bukett einen saftig-süßlichen Eindruck mit schönen diskreten Reifetönen. Im Mund wirkt der Wein dann deutlich reifer mit einer mürben Apfelfrucht und einer ebenfalls mürben Säure. Die leicht firnen Reifetöne, gepaart mit kräuterigen Aromen von kalter Cola, sind zwar sehr schön. Struktur bietet der Wein aber nur noch bedingt, eher wenig Druck und Länge, der Wein ist leider über seinem Höhepunkt. KA kennt den Wein recht gut und wundert sich, dass er nicht präsenter ist. Er vermutet eine schlecht gelagerte Flasche, die heute nicht höher als 87 Punkte bietet.

Deutlich jünger und spielerischer präsentiert sich die Hermann Dönnhoff Niederhäuser Hermannshöhle Spätlese trocken 2002. In der Nase ausgeprägt kräuterig, tabakig, rauchig, würzig, schieferig, dabei duftig und opulent. Im Antrunk bietet der Wein eine wunderbar saubere Steinfrucht, Zitrus, helle Blüten, dazu ein Zuckerschwänzchen, das mit der quirligen Säure ein schönes Spiel von Süße und Säure ergibt. Der Wein ist beweglich, viel Spiel, mittlerer Körper, schöne Länge, animierender Trinkfluss. Nicht ganz so viel Substanz und Komplexität, aber äußerst gut gereift. Wir sind uns einig mit 91 Punkten.

Die Markus Molitor Zeltinger Sonnenuhr Auslese ** trocken 2002 bietet eine ausdrucksstarke, intensive Schiefernase, rauchig, Schießpulver, sehr würzig, intensive Kräuternote, die Frucht erinnert an rote Beeren mit floralen Noten, aber auch eine gute Portion Botrytis. Die volle Schieferwürze nimmt der Wein auch mit in den Antrunk, erneut Schießpulver, eine starke Säure, Frucht und Säure wirken aber nicht ganz so gut integriert, stehen nebeneinander, der Wein hat trotzdem Ausdruck mit dieser ungeheuer mit Schießpulver durchwobenen Frucht. Erneut gibt es für den Molitor Kritik aus der Runde. Einige zollen dem Wein aber Tribut als Botschafter seiner Herkunft. Es tut sich der gleiche Konflikt auf wie bei dem gleichen Wein aus dem Jahrgang 1998 (in Flight 1). Trotz allem, die Säure ist nicht gut integriert und zeigt unreife Spitzen. Wir vergeben 86 bis 88 Punkte.

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Den drei deutschen Schieferweinen traten nun drei Wachauer Smaragde gegenüber, die ebenfalls für ihre Mineralität und Terroirausprägung berühmt sind. Gemein war ihnen ebenso, dass der Jahrgang im Frühjahr und Sommer unter extremen Niederschlägen zu leiden hatte und die Weinberge stark beansprucht wurden. Der Herbst hingegen war wie aus dem Bilderbuch. Der Jahrgang gilt als gut und klassisch.

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Den Anfang machte der Alzinger Dürnstein Steinertal Smaragd 2002. In der Nase ist er etwas verhalten, höchstens etwas süße Apfelfrucht, Karamell, Tabak erste biskuitige, auch pilzige Reifetöne. Im Antrunk folgt eine rauchige Frucht, süßlicher Apfel, dabei aber salzig, nachhaltig. Die Säure ist reif, leichte Honignoten von der Botrytis, dazu eine schöne dunkle Mineralität, die im Nachhall Noten von Jod und Steinsalz zeigt. Hinten wird der Wein karamelliger, leicht röstig, auch etwas hitzig bei eher mittlerem Körper, guter Intensität und kräftig Alkohol. Ein guter druckvoller Auftritt, doch leider lässt der Wein Raffinesse und Eleganz vermissen. Daher nur 88 Punkte.

Beim nächsten Wein bleiben wir in Dürnstein. Der Emmerich-Knoll Dürnstein Kellerberg Smaragd 2002 bietet in der Nase süßes Steinobst, Karamell, jetzt eine mehr kalkige Mineralität, auch wieder Rauch, ein zartes Fruchtparfüm und deutlich Kamille. Im Antrunk gibt es eine saftige Steinfrucht, schöne Struktur, ein starkes mineralisches Skelett, mittlerer Körper, nachhaltig und lang am Gaumen, intensiv, nektarhaft, Grapefruit, leicht herb, animierend, er puffert seine ausgeprägte alkoholische Kraft. Die Aromatik ist schon stark gereift, die Säure schon weich, im Nachhall finden sich zudem bitter-phenolische Noten. Ein schöner Wein, aber diese Flasche war vor zwei Jahren sicher noch schöner. Wir geben 88 bis 90 Punkte.

Der Prager Weißenkirchener Achleiten Smaragd 2002 punktet deutlich höher für die Wachau. In der Nase eine tiefe, kräutertabakige Steinfrucht, wieder diese Wachauer Rauchigkeit. Im Antrunk dann ein straffer, mineralischer, saftiger Auftritt, richtig trocken, ungemein rauchig, sehr kräftig, alles ist angeröstet, Mokka-Aroma. Ein Wein mit hohem Zug, pointierter Säure, tiefe Frische und doch Opulenz. Ein Riesling, der Gegensätze zu vereinigen weiß. Das hat Niveau und Komplexität, ist sehr gut gereift und hat noch Luft für einige Jahre mehr. Ausgezeichnet und uns 93 Punkte wert!

Und hier findet Ihr alle Teile aus der Artikelreihe:

→ Teil 1: Letztes Jahrhundert
→ Teil 2: Jahrgang 2003
→ Teil 3: Jahrgang 2001
→ Teil 4: Jahrgang 2004
→ Teil 5: Jahrgang 2002
→ Teil 6: Jahrgang 2005
→ Teil 7: Jahrgang 2006

Weitere Berichte von dieser Probe und auch manch ganz andere Bewertung einiger Weine findet Ihr bei Achim Becker (→ Weinterminator.de), Felix Bodmann (→ Schnutentunker.de) und Matthias Neske (→ Chezmatze.de). Für die Fotos danken wir → Weinkaiser.de.