Kraftakt Spätburgunder: Pinot Noir aus Deutschland und Frankreich (01.11.2008)

Es ist nicht überliefert, was bei der Idee zu diesem Abend zuerst da war — der Hirsch oder der Wein. Dem Kraftakt Riesling folgte nun auf jeden Fall der Kraftakt Spätburgunder, passend überm Pferdestall im waldigen Siebengebirge, am ersten grauen, dunklen Novemberabend des Jahres. Das Programm wurde spontan zusammengestellt: Alle Mitbring-Flaschen wurden dekantiert und vom Probenmeister in einem einzigen schönen langen Flight präsentiert. Die Verkostung erfolgte blind, aufgedeckt wurde ganz zum Schluss.

1. Bürklin-Wolf Riesling Forster Ungeheuer Großes Gewächs, 2001
Zuerst ein Riesling zum Ankommen, zum Start, als Aperitif oder einfach nur um den Abend richtig gut einzuläuten. Im Glas ein dunkles Zitronengelb. In der intensiven Nase Ananas, Zitruscreme, angenehme firne Reifenoten, heller Honig. Im Antrunk eine lange gelbe Frucht, dazu Minze, Wermut, angenehm kühl am Gaumen. Auch einiges an Restsüße, die ihm etwas die Tiefe nimmt. Aber trotzdem ausgezeichnet! (92 Punkte)

2. H. F. Wissing Spätburgunder trocken Niederhorbacher Silberberg, 2005
Auch dieser Wein wurde offen verkostet. Es handelt sich um einen Spätburgunder aus dem Barrique von einem kleinen Weingut aus Niederhorbach, zwischen Landau und Schweigen gelegen. In der Nase eine helle, frische, eher schlanke Beerenfrucht, auch etwas Süßholz. Im Mund kommt zuerst die Primärfrucht mit roten und schwarzen Beeren zum Tragen, dabei eine angenehm frische Säure und eine schön integrierte Holzwürze. Auch etwas Alkohol ist schmeckbar. Durch seine Frische burgundische Anklänge, dabei aber eher leicht und nicht so lang. Sollte bald getrunken werden. (85-86 Punkte)

3. H. F. Wissing Spätburgunder trocken Niederhorbacher Silberberg, 2006
Der gleiche Wein, aber nun aus einem für die Pfalz schwierigen Jahrgang. Das Ergebnis verblüfft, der Wein scheint mehr Potenzial zu haben. Die Nase ist zunächst noch verhaltener, das Holz steht noch etwas daneben. Im Mund zeigt er aber, dass er etwas kann. Auch hier junges Tannin, ein süßliches Holzaroma, begleitet von Gerbstoffen. Das bindet sich aber noch ein. An Aromen ist die rote Primärfrucht zurückhaltender, stattdessen kommen eine leicht salzige Note und Schokolade dazu. Holz und Säure müssen sich noch integrieren. Insgesamt Interessanter, nerviger und komplexer, hat Potenzial. (87+ Punkte)

4. Gies-Düppel Spätburgunder Kastanienbusch, 2005
Der erste Wein aus dem richtigen Probenprogramm, ab jetzt wurde blind degustiert. In der Nase rote und schwarze Beerenfrüchte, würziges Laub, Kaffee, auch wieder etwas Alkohol. Im Antrunk saftig, eine kräftige, mineralische Säure. Eine schön saubere Kirsch-Beerennote in einer tollen Tanninstruktur, das Holzaroma ist ganz zurückhaltend. Im Abgang kirschwürzige Noten und leicht mineralisch-salzig. Insgesamt eher schlank, aber sehr schön ausbalanciert und mit Länge. (88+ Punkte)

5. Jean-Marc Pavelot Savigny-Lés-Beaune La Dominode, 2002
In der Nase süße rote Kirschen und schwarze Johannisbeeren, auch eine deutliche stallige, animalische Note. Ganz andere, kräftige Stilistik, offenbar ein Franzose. Im Mund sehr trocken, leicht stumpfendes Tannin, kräftige Säure. An Aromen schwarze Beeren mit animalischen Anklängen, Tabak und eine kühle mineralische Stilistik. Insgesamt etwas rustikal, aber sehr interessant. Sollte sicher noch mindestens zwei bis drei Jahre ruhen, um harmonischer zu werden. (88+ Punkte)

6. Friedrich Becker Spätburgunder Kammerberg Großes Gewächs, 2003
In der delikaten Nase eine schöne Toastnote, Röstaromen, Kirschen, auch etwas Orange. Sehr elegant, harmonisch und mit Länge. Im Mund geht die Kirsche stärker auf, die Röstnoten treten zurück, stattdessen eine schmeckbare Extraktsüße und kirschig-vanillige Noten, auch etwas Haselnuss. Die Säure ist präsent, aber integriert. Das Tannin und damit die gesamte Struktur ist weich und seidig. Insgesamt eine wärmere Stilistik, delikat, aber nicht unbedingt tief. (88-91 Punkte)

7. Friedrich Becker Spätburgunder RES, 2003
In der aromatischen, komplexen Nase Schwarzkirschen, Süßholz, salzige Kräuter, leichte, gut untergeordnete Röstaromen. Auch im Mund eine weiche Toastnote, die Frucht geht etwas zurück, dafür eine ausgeprägte leicht salzige Kräutermineralität. Dicht gewoben, komplex. Die saftige, noch etwas kantige Säure trägt die Mineralität und die Struktur bis in den langen Abgang. Wird sicher noch besser, wenn die Säure feingliedriger wird. Insgesamt komplexer, eleganter, tiefer im Vergleich zum opulenten Vorgänger. (90+ Punkte)

8. Adeneuer Spätburgunder J. J. Adeneuer No.1, 2004
Im Glas ziegelrot mit einem breiten Wasserrand. In der Nase vor allem reife und eingemachte dunkle Beeren, süße schwarze Johannisbeeren, sogar Blaubeeren. Dazu süße lakritzige Noten von neuem Holz. Im Mund eine schmeichelnd weiche, schmelzige Beerenstilistik mit guter Tanninwürze. Dazu noch immer sehr vitale, pflanzliche Gerbstoffe. Schönes Extrakt, gute animierende Säure, voller Körper. Insgesamt eine eher mittlere Tiefe, dafür ungemein stimmig und rund. Der im Konsens überzeugendsten Weine des Abends! (90-92 Punkte)

9. Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr Frühburgunder SE, 2003
Schon in der Nase als Frühburgunder enttarnt. Starke Röstnoten, ein ausgeprägter Cassisduft, schokoladig und parfümiert. Im Mund wieder schwarze Johannisbeere, dazu Vanillezucker, auch spürbare Restsüße. Hinzu kommt eine angenehme ätherische Frische. Wirkt jedoch insgesamt marmeladig und nicht so animierend. Ein schöner Frühburgunder, der jedoch in Sachen Spiel und Tiefe nicht mitkommt mit den Spätburgundern des Abends. (84-87 Punkte)

10. Denis Bachelet Gevrey-Chambertin Les Corbeaux, 2002
Wirkt gerade nach dem feingliedrigen Frühburgunder etwas dunkel und rustikal in der Nase: Alkohol, Rauch, Schlehenaromen. Im Mund zuerst eine kräftige Säure, dann eine sehr trockene, schlanke rotbeerige Frucht und eine ausgeprägte Tanninwolke. Im Verlauf tut sich Einiges: Auf Säure und Tannin folgen eine feingliedrige Würzigkeit und ein richtig langer mineralischer Abgang. Der Wein bleibt förmlich am Gaumen hängen. Tolles Potenzial! (89 Punkte)

11. Bruno Clavelier Vosne-Romanée Les Brulées, 1999
Eine kühle, mineralische Nase, kräuterig, Sauerkirsche, auch etwas alkoholisch. Im Mund zuerst eine sehr kräftige, trocknende Säure und angenehm feinkörnige Tannine. Die sehr trockene Frucht mit Aromen von Himbeeren und Kirschen dringt nur allmählich hindurch, allerdings begleitet von einem starken mineralischen Druck am Gaumen. Einigkeit besteht beim Potenzial, ansonsten aber umstritten von den Aroma- und Eleganztrinkern des Abends. (89-94 Punkte)

12. Johner Spätburgunder JS, 2003
Im Glas sehr dunkel, schwarze Reflexe. In der Nase süßlich und üppig wirkend, Rumtopf, schwarze eingekochte Beeren, Brombeeren, auch flüchtiger Alkohol. Im Mund ein süßes, fleischiges Extrakt in einer rauchigen Tanninwolke, auch deutlich erkennbare Restsüße. Insgesamt marmeladig und mächtig, es fehlt an animierender Säure oder Gerbstoffen. Schön sind die salzig-kräuterigen Mineralnoten. Insgesamt in der Runde aber eher lange Gesichter beim Aufdecken. Wir hatten uns mehr versprochen. (86-87 Punkte)

13. Würtz Pinot Noir Spätburgunder, 2005
Ein schöner, komplexer Duft nach Dörrobst, Orangen und feinwürzigen Holznoten wie Vanille. Sensible Nasen vermerken auch wieder etwas Alkohol. Im Mund sehr harmonisch mit einem Schmelz aus fruchtigen Beeren- und würzigen Holznoten. Sehr gut gefällt der ausbalancierte Holzeinsatz und das kühle, mineralische Rückgrat, das bis in den ordentlichen Abgang reicht. Die Tannine wirken hingegen noch etwas grobkörnig und dominant. (88 Punkte)

Zu den Weinen gab es ein fürstliches, herbstliches Wildmenü mit bei Niedrigtemperatur gegartem Wildschweinrücken. Vielen herzlichen Dank unserem Koch dafür! Und ebenso vielen Dank unserem großzügigen Gastgeber, der sich sogar von einem Schnellkochtopf, der sich etwas Luft verschaffen musste, nicht aus der Ruhe bringen ließ! Kraftakt Nummer drei ist auf jeden Fall schon in Planung. Mehr dazu in Bälde auf diesen Seiten.

3 Kommentare zu “Kraftakt Spätburgunder: Pinot Noir aus Deutschland und Frankreich (01.11.2008)

    • Naja, den Adeneuer hat die Bande ja zum „Wein des Abends“ bestimmt, ich persönlich fand den Clavelier am besten. Da es sich damit aber um ein schiedlich-friedliches Eins zu Eins zwischen Frankreich und Deutschland handelt, braucht man sich aber nicht weiter zu streiten.
      Was ist der Pinot Day?
      Grüße, Florian

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