Frucht und Potenzial auf höchstem Niveau — Vintage Port 2011

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Was es doch für ein Glücksfall ist, dass einer der deutschen Portwein-Experten schlechthin, Axel Probst, aus der Nähe kommt und jedes Jahr in Leverkusen das Event „World of Port“ durchführt, wurde mir leider erst dieses Jahr so richtig klar. Ich war das erste Mal auf der Veranstaltung und mir wurde dabei erst so richtig bewusst, wie hochkarätig sie besetzt ist. Nicht nur die wichtigsten Häuser waren vor Ort, sie waren teilweise auch noch namhaft vertreten. So schenkten unter anderem Dominic Symington (Graham), Luis Sottomayor (Sandeman) oder Oscar Quevedo (Quevedo) höchstselbst ihre Weine zur Verkostung aus. Zudem, und das war noch viel wichtiger, konnte man sich eine Meinung zur höchsten Port-Kategorie, dem „Vintage Port“, bilden. Diese Weine werden durchschnittlich nur dreimal in zehn Jahren abgefüllt und durchlaufen einen anspruchsvollen Deklarationsprozess. 2011 gab es endlich wieder einen Jahrgang, der das Zeug dazu hatte — beziehungsweise eigentlich noch mehr, denn 2011 gilt sogar als ein ausgezeichneter Jahrgang, den es so schon ganz lange nicht mehr gab. Dem Portwein tut das gut. Er bekommt endlich mal wieder die Aufmerksamkeit, die er verdient hat.

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Die Vintage Ports liegen zwei Jahre im Holzfass und waren bei der Verkostung noch nicht lange auf der Flasche. Jetzt mag mancher sagen, das sei ja alles nur Potenzialtrinken und solch eine Verkostung mache ja kaum Sinn. Das dachte ich auch, war aber nicht so. Überhaupt nicht. Vielmehr bot sich die Gelegenheit, diese Weine in einer wenn auch unruhigen, aber dafür ausdrucksstarken, jungen fruchtdominierten Phase zu erleben. Hier kommt der Grundwein noch besonders stark zum Ausdruck. Probiert man einen solchen Wein im Vergleich zu einem gereiften Port, merkt man, dass das weniger süß wirkt, auch weniger elegant, aber dafür auf chaotische Weise mehr duftig und verspielt. Die guten Vintage Ports haben jetzt schon alles, was es braucht — Säure, Biss, Mineralität, Komplexität und einen eigenen Charakter, der sie unverkennbar macht.

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Was den Vintage Port 2011 schon so jung so delikat werden lässt, ist, beschreibt Jancis Robinson auf ihrer Website so:

„The good thing however is that port in general is better-made today than it has ever been, which means that many of these fine, baby 2011 vintage ports that are currently being shown as cask samples are delicious enough to drink young. This is because there has been so much work refining exactly how each vineyard is managed, and how to ensure that the tannins extracted are not too astringent. They can be almost velvety rather than fiery.“ (Link zum Artikel)

In diesen Worten fand ich meine Eindrücke gut wieder. Denn bei der Verkostung ging es dann tatsächlich richtig ab. Immer wieder notierte ich eine überraschende vitale Säure, Mineralität, Kräuter, Zesten, Orangenschale — das alles sind ja durchaus „weinige“ Attribute. Tannin, Süße und Alkohol wurden durchweg nicht zum Problem. Der hinzu gespritete Brandy ist zu diesem frühen Zeitpunkt schon recht gut integriert und ich hatte nicht einen Wein, der sich nicht zusammenfügte. Mit anderen Worten, auch wenn das dekadent klingt: Das hier machte jetzt schon richtig Spaß, bot viel Abwechslung und die besten Ports waren sogar richtig trinkanimierend. Im Vorteil sah ich die fruchtdomierteren, druckvollen, kantigeren, irgendwie „weinigeren“ Ports. Die weniger fruchtigen, dafür eleganteren, cremigeren Weine waren meist verschlossener und zeigten zum jetzigen Zeitpunkt weniger Charakter. Sie schlafen bereits für die nächsten 20, 30, 40 Jahre. Was mich aber so richtig beeindruckte, waren die Lagen-Vintages, die mir eine Vorstellung von Terroir gaben, und das bei über 20 Volumenprozent. Immer wieder faszinierend, was Wein alles kann. Genug der Vorrede, los geht es mit den Verkostungsnotizen. Ich konzentrierte mich auf ein knappes Drittel der insgesamt über 40 Weingüter vor Ort und nahm mir beim Verkosten etwas Zeit. Die ebenfalls vorgestellten LBV-Ports ließ ich aus, um meine Sensorik nicht gänzlich zu überfordern. Für die Preise übernehme ich übrigens keine Garantie, ich habe sie auf diversen Händlerseiten gefunden.

Alves de Sousa Vintage Port 2011: Schöne Blaubeerfrucht, Würze, Kräuterblätter, Eukalyptus, dunkles Beerenkaramell, Mineralität, konzentriert, straff, frisch, intensiv, komplex, langer Abgang. (94 Punkte, circa 60 Euro)

Cockburn Vintage Port 2011: Dunkel im Glas, in der Nase Schwarzkirsche, Kräuter, Kaffee, deutet Tiefe an, im Antrunk wieder Kirsche, auch schwarze Beeren, sehr karamellige Frucht, mächtig, bepackt, cremig anmutend, alkoholisch, schon etwas verschlossen. (89+ Punkte, circa 50 Euro)

Quinta do Crasto Vintage Port 2011: Sehr fruchtige Nase, Beerenmarmelade, Holunder, Kräuter, auch im Mund getrocknete Kräuter, Nadelkräuter, dunkel, auf der frischen beerigen Kräuterigkeit nachhaltig und intensiv, wenn auch nicht so lang. (88 Punkte, circa 30 Euro)

Dow Vintage Port 2011: Konzentriertes, aber auch frisch wirkendes Beerenkonfit, dazu ätherische Kräuternoten, Menthol, Piment, auch Zesten, schöne Balance aus Frucht und Würzigkeit, im Mund sehr präzise auf der rotbeerigen Frucht, elegant und lecker, wenn auch nicht so nachhaltig. (89 Punkte, circa 40 Euro)

Graham Vintage Port 2011: Cassis, Kaffee, Zitronenschale, in der Nase elegant und wunderschön frisch, im Antrunk Beerenkonfit, Blutorange, Mineralität, Cremigkeit, einladende Süße, konzentriert, barock, opulent, lang. (91 Punkte, circa 70 Euro)

Quinta de la Rosa Vintage Port 2011: Schwarzkirsche, schwarzer Pfeffer, Orangenschale, Blutorange, Küchenkräuter, im Mund herb und frisch, jetzt auch Schokolade, röstige Tannine, hinten zur Zeit geblockt, davor hohes Niveau. (89+ Punkte, circa 40 Euro)

Cave Messias Vintage Port 2011: Sehr reif wirkende Nase mit Schwarzbeeren, Kaffee, herben Noten von Johannisbeerblättern, geriebener Vanille, Holzsüße, im Mund ein schönes Spiel mit der Süße, getrocknete Früchte, zum Ende hin oxidative Noten, aber davon ab eine gute Länge, jetzt sehr schön zu trinken. (90 Punkte, circa 40 Euro)

Niepoort Vintage Port 2011: Elegante, sehr sauber definierte, raffinierte, wenn auch etwas verschlossene Nase, schwarze Beeren, getrocknete Kräuter, Traubenkerne, im Mund geht das genau so weiter, sehr straight auf der Frucht, straff, puristisch, konfitartiger Abgang mit langem Nachhall; beeindruckend, was so saubere Fruchtnoten alles können! (92 Punkte, circa 70 Euro)

Niepoort „Bioma“ Vintage Port 2011: In der Nase Konfit aus schwarzen Johannisbeeren, dazu florale und kräuterige Noten, ungestüm, auf schönstem Niveau fruchtdominiert, betörend, im Mund nahezu explosiv, noch intensiver, sehr konzentriert, relativ trocken, starke, schon etwas anstrengende Säure, nachhaltige Frucht am Gaumen, geleeartig, superlang, groß! (95 Punkte, circa 90 Euro)

Quinta do Noval Vintage Port 2011: Duftige Nase mit Cassis, Mokka, Teer, dazu florale Noten, frische Beeren, konzentriert, konfitartig, im Mund dann Schwarzbeeren, Brombeeren, wieder die duftig-cremige Mokkanote am Gaumen, toller Holzeinsatz, schöne frische Säure und blitzsaubere Frucht, weiter hinten rotbeeriger, Hagebuttentee, Traubenkerne, unruhig, galoppierend, sich stetig wandelnd, sehr intensiv, konzentriert und lang. Und das ist „nur“ der einfache Vintage Port. Wie mag dann erst der „Nacional“ schmecken? (94+ Punkte, circa 80 Euro)

Quinta do Portal Vintage Port 2011: Schwarze Beeren, Schokolade, duftig-florale Frische, Blumenstängel, Tabakblätter, im Mund frisch gesägtes Holz, Süße, alles steht nebeneinander, trotzdem frisch mit Kräuteraromen und Eukalyptusduft, zur Zeit sehr unruhig. (87+ Punkte, circa 40 Euro)

Quinta do Vallado Vintage Port 2011: Cassis, Blaubeeren, Cassisblatt, etwas Schärfe, im Mund deutlich rotbeeriger anmutend, schöne frisch-herbe Noten, Orangenschale, eher leicht, trinkig, animierend, geöffnet, frisch, wenn auch nicht sonderlich tief. (88 Punkte, circa 50 Euro)

Vista Allegre Vintage Port 2011: Vielschichtige Nase mit Dörrobst, Schokolade, Nadelkräutern, Thymian, auch duftige florale Noten, im Mund elegante Struktur, feines Tannin, angenehm zurückhaltende Aromen, ausgewogen, komplex und abwechslungsreich, wirkt sehr komplett. (92 Punkte, circa 30 Euro)

Vista Allegre „Valle Longo“ Vintage Port 2011: Transparente, sehr präzise definierte Frucht, rote Beeren, Himbeeren, reintönig, mineralisch, wirkt wie ein Wein, auch im Mund diese superpräzise herausgearbeitete, vielschichtige, mineralisch gestützte Frucht; eher leicht wirkend, frische Säure, sehnig, tief, animierend, tänzelnd, raffiniert, großes portugiesisches Kino. (94 Punkte, circa 40 Euro)

Fazit: Was bleibt zu sagen? Vor allem die Lagen-Portweine haben mich schlicht weggefegt. Man traut sich ja kaum, aber den Unterscheid machte das, was so mancher Terroir nennen würde. Eine klare, präzise Stilistik mit ganz tiefer Frucht und eben sogar Mineralität, ohne viel Lärm links und rechts. Der Niepoort „Bioma“ kostet dann auch gleich seinen Preis. Probiert aber mal den viel günstigeren Vista Allegre „Valle Longo“ und versucht ihn zu ergründen. Solltet Ihr das mal versuchen, so wünsche ich Euch dabei die nötige Offenheit und ganz viel Spaß. Es könnte gut sein, dass es dann nicht Eure letzte Flasche Portwein gewesen sein wird.

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