Alte Burgunder von 1919 bis 1953

Kürzlich hatte ich das wohl einmalige Vergnügen alte, und ich meine wirklich alte Burgunder zu geniessen. Ein ebenso verrückter Weinfreund lud ein und es sollte ein denkwürdiger Abend werden. Jahrgänge zwischen 1919 bis 1953 standen an. Zwischendurch sorgten unsere lieben Gastgeber anhand eines vorzüglichen Menüs in vier Akten für die notwendige Kondition. Natürlich reiste ich mit der festen Überzeugung an, dass dieses alte Zeug überhaupt nicht mehr schmecken kann und ich mich nicht von Jahreszahlen oder irgendwelchen Namen wie Romanee etc. blenden lassen würde. Vollständig bekehrt und demütig verließ ich sehr spät am Abend die Gedenkstätte…..

Aber zunächst ging es los wie ich es erwartet hatte (jeah!!!).

1 Moulin á Vent, 1947  –  81 Punkte (gut)

Rostbraune Farbe, leicht durchscheinend, breiter Wasserand. Erstaunlich opulente Nase nach angetrockneter rotbeeriger Frucht, Kaffeenoten, feine Kräuterwürze, reichlich Backpflaumen und ein Hauch Trüffel, deutliche Alternoten, aber sehr gut. Im Mund fällt der Wein dann sehr schnell zusammen. Mit jeder Minute überlagert die Säure den gesamten Eindruck im Mund, der Wein ist drüber. Ich notiere noch überreife Früchte, Bratensaft, einen ganzen Eimer Rosinen, der Abgang recht ordentlich, mittellang, mit ansprechenden Tabaknoten. Aufgrund der Säure kein wirklicher Trinkspaß, dadurch deutliche Abwertung.

2 Morey-Saint Denis Henride Villanont Docteur Bar, 1930
Collection du Docteur Barolet  –  87 Punkte (sehr gut)
Die erste kleine Überraschung schon bei der Farbe; dicht, klar und vereinzelt rostbraune Reflexe. Die Nase weich, sehr harmonisch, trotzdem Kraftvoll, Holz- und Fruchtaromen halten sich wunderbar die Balance. Im Mund sehr saftig, intensive typische Pinot Noir-Fruchtaromen, gut gezeichnete Holzwürze, etwas Waldboden. Für 90+ Punkte sticht die Säue zu weit hervor, hier zeigt sich das fortgeschritten Alter des Weines. Trotzallem noch sehr trinkig, vielleicht nicht ganz tief, aber es hat richtig Spaß gemacht.

3 Beaune Clos de Mouches, 1953
A. & R. Barriére Fréres, Négociants  –  88 Punkte (sehr gut)

Erneut erstaunlich dunkle Farbe für einen gereiften Pinot Noir. Die Nase ganz anders, aber noch besser als sein Vorgänger. Komplexer Duft nach ganz viel Minze, ätherische Noten, Wacholder und frische Pilze. Dahinter Sauerkirsche, feine Rauchnoten vom Faß und ein klein wenig, für mich störende, oxidative Anklänge. Trotzdem eine super Nase. Im Mund wandelt sich der Wein vollständig. Auch sehr gut, aber nicht ganz so komplex. Im Antrunk auch saftig mit viel Extraktsüße und schmeichelnden Lebkuchennoten. Im weiteren Verlauf eher Pilz und Trüffelaromen, markante, aber soeben noch akzeptable Säure. Der Abgang hat durchaus eine gewisse Länge, aber die Frucht wirkt etwas indifferent, die schmelzigen Holzaromen verwöhen aber den Gaumen.

4 Vosne Romanee Lalignant Chameroy, 1937
Domain Lalignant Chameroy  –  83 Punkte (gut)

Die Farbe wieder erstaunlich jung. In der Nase aber deutliche Altersnoten, Rosinen, Lacktöne, rotbeerige Frucht und ein Hauch Mineralik. Im Mund sticht die Säure störend hervor, oxidative Noten, schöne dunkle Beerenfrüchte, im Abgang bricht der Wein aber weg. Der Wein hat es hinter sich, aber trotztdem noch ein guter Wein.

5 Gevrey Chambertin, 1928
Domaine Faiveley  –  89 Punkte (sehr gut)

Intensives Granatrot, undurchscheinender Kern, ganz feiner Wasserand. Einfach unglaublich. In der Nase ganz viel Graphit, Tinte und ein Korb voller Waldfrüchte. Sehr einlandend und tief. Dieser Früchtekorb fächert sich im Mund noch weiter auf: Wacholder, Brombeeren, Cassis und wilde Sauerkirsche. Dahinter sorgen dunkle Schokoladennoten für Schmelz und ein wunderbares Trinkvergüngen. Dies wird nur von einer recht reschen Säure etwas gebremst. Der Abgang ist sehr lang, dicht und vielschichtig. Ein großer Wein, der leider schon einige Jahr drüber ist, trotzdem ein tolles Erlebnis.

6 Corton Crand Cru, 1947
Domaine Faively  –  96 Punkte (groß)
Mein bester Pinot Noir, den ich bisher im Glas hatte. Blind verkostet hätte ich bestenfalls auf ein Alter von 10 Jahren getippt. Die Farbe kirschrot, undurchscheinender Kern. Die Nase ein Wucht aus Fruchtdesitlaten und einer abgrundtiefen, hocheleganten Holzwüze, nach geröstetem Sesam, frischen Kaffeenoten, eine Schwade Zigarrenkiste und getrockneten Küchenkräuter, wirkt noch sehr jung, kraftvoll und mit unheimlicher Vitalität. Im Mund ebenso frisch, sehr fruchtig mit großartiger Stuktur und Dichte, extrem nachhaltig. Zart rotbeerige Frucht, ein Musterbeispiel an Kraft und Eleganz zugleich.Kaum endend wollender Abgang mit wunderbaren Kaffee und Tabaknoten läßt uns voller Bewunderung zurück. Am Tisch herrscht absolute Stille. Wir alle wußten, es ist einer dieser Momente aus dem sich unsere Begeisterung für große Wein speist und die doch so selten sind. Ein Meisterwerk, das vermutlich noch viele Jahre auf diesem Niveau verweilen wird. Groß!

7 Chambolle Musigny, 1929
Alix Vigneau, Nuits-Saint-Georges  –  91 Punkte (ausgezeichnet)

Intensive Farbe. Ebenso intensiv der Duft: unwahrscheinlich harmonisch, überaus fein gezeichnet, intensive Fruchtextraktaromen, zarte Holzwürze nach Sesam, hat Tiefe und Kraft. In der Nase groß, fällt aber im Gaumen wegen der zu dominanten Säure ab. Die intensive rotbeerige Frucht bietet zwar alle Kraft auf um die Säure einzubinden, schafft es aber nicht ganz. Trotzdem ein noch immer erstaunlich aktiver und lebendiger Wein mit angenehmen, leicht animanlischen Aromen, ganz feinen Kaffeenoten und einer filigranen Holzwürze. Der Abgang lang und verspielt. Unglaublich gut für über 80 Jahre!

8 Clos de Vougeot,1945
Moillard-Grivot, Propriétaires  –  89 Punkte (sehr gut)

Mineralischer Duft, leicht animalische Noten, hat Struktur und Kraft in der Nase, dahinter auch eine klare gezeichnete Frucht nach dunklen Waldbeeren und feine und ausgewogene Kräuterwürze vom Fassausbau. Im Mund erstaunlich viel Extraktsüße, sehr warm, opulent und alkoholstark, hat durchaus Struktur und Klasse, mit intensiver rotbeeriger Frucht (Brombeere, Holunder und Cassis), saftiger, langer, etwas einfacher Abgang. Macht viel Spaß, weil schön eingebunde Säure, hat aber nicht das komplexe Spiel der beiden Vorgänger. Trotzdem ein sehr guter Wein.

9 Vosne Romanee Malconsorts, 1945
Moillard-Grivat, Propriétaires  –   87 Punkte (sehr gut)

Die Nase deutlich verhaltener, Kirschkonfit, feine Reifenoten, wirkt eher schlank und elegant. Im Mund resche Säure, als Ausgleich eine schöne rotbeerige Frucht, etwas Laub und Waldboden, im knapp langen Abgang etwas grüne Note, sehr gut, aber deutlich unter den vorangegangenen drei Weinen.

10 Richebourg Lalignant Chameroy, 1937
Domaine Lalignant Chameroy, Louis Jadot  –  88 Punkte (sehr gut)

Recht kräftige Farbe. Die Nase sehr verhalten, feine Kirsch- und Cassisaromen. Keinerlei Alternoten. Im Mund leider wieder die vordringliche Säure; auch am Gaumen schlank, filigran und fast stahlig, sehr reintönig, ganz eigene Stilistik; Konfit von der Krische und Brombeeren, karge Mineralik, nur ganz zarte Kräuterwürze vom Fass; der Wein wirkt fragil, was ihm eine einmalige Eleganz verleiht; ganz ausgezeichnet, aber wegen der Säure und dem nur mittleren Abgang gibt es Abzug auf „nur“ ein sehr gut.

11 Nuits St. George Lalignant Chameroy, 1919
Domaine Lalignant Chameroy, Louis Jadot  –   91 Punkte (ausgezeichnet)

Unglaublich frische granatrote Farbe für einen 90jährigen Wein, kompakter Kern, kaum Randaufhellung. In der Nase Wald- und Pilzaromen, dahinter Liebstöckel, Rosinen und kompottige Noten. Eindeutig ein alter Wein, wirkt aber noch sehr haromisch und angenehm mit einer ganz eigenen Frische. Im Mund sticht die Säure ein klein wenig hervor und auch spürbar oxidative Noten, dies alles wird aber von den fast opulenten, verspielten Fruchtaromen nach Hollunder, Waldbeeren und Cassis klasse gepuffert. Das Holz harmonisiert mit seiner Kräuterwürze, mit dunklen Schokoladennoten und gar mit einem gewissen Schmelz. Wir trinken in Ruhe die ganze Flasche aus und sind erstaunt, dass der Wein nicht binnen fünf Minuten zusammenbricht. Ein würdiger Abschluss für eine grandiose Verkostung von Weinen, die ich ziemlich sicher nie wieder im Glas haben werde.

Für mich war es ein denkwürdiger Abend. Zum ersten Mal durfte ich meine Nase in derart alte und große Gewächse des Burgunds halten. Selbst ein nicht ganz unbekanntes Winzerpaar aus der Pfalz neigte ehrfürchtig vor seinen französischen Nachbarn sein Haupt. Aufrichtigen Dank nochmals an die lieben Gastgeber. Die nächsten Termine sind schon in Planung und wir werden wieder mit aller Vorfreude Tief in den Westen pilgern.

7 Kommentare zu “Alte Burgunder von 1919 bis 1953

  1. Beneidenswert – that’s Pinot! Könntest Du Dir einen der hochgelobten Deutschen Pinots ähnlichen Alters in ähnlicher Form vorstellen? Never ever, die meisten überstehen keine 10 Jahre. Vielleicht gar nicht so schlecht, dass die Weine hier Spätburgunder heissen 😉 .

    • Hallo Pivu, das käme doch immerhin auf einen Versuch an, oder? Erfahrungswerte scheint es mir keine zu geben, die heute hochgelobten Spätburgunder waren ja damals noch nicht hochgelobt. Ich würde jedenfalls nicht bäh sagen, wenn mir jemand in 70 Jahren einen Schneider, Becker, Kesseler oder Adeneuer vorsetzen würde. Schaunmermal. 🙂

    • Vor zwei Wochen hatte ich einen 99er-Fürst Spätburgunder im Glas, der sich ganz ausgezeichnet präsentierte (89 Punkte). Ich denke daher schon, dass es einzelne Winzer gibt, die das Potential haben sehr lagerfähige Spätburgunder zu erzeugen; vorausgesetzt die Lagen besitzen ausreichend Potential. Und genau hier haben wir hier in Deutschland nicht annähernd die Tradition und somit die notwendige Erfahrung in der Auswahl und Bewirtschaftung echter Grand Cru-Lagen. Unser Weingesetzt motiviert dazu auch nicht ausreichend. Die besten Winzer haben sich jedoch eindeutig auf den richigen Weg gemacht, nur wird es noch viele Jahre dauern, bis das notwendige Wissen vohanden ist, ähnliche Qualitäten wie im Burgund abzufüllen. Will heißen, wir kaufen die Pullen und trinken werden es unser Nachfahren. Das nennt man Generationenvertrag. Viele Grüße von Rainer

  2. Lieber Rainer,

    Du solltest fairerweise darauf hinweisen, dass es sich bei dem 47er Moulin à Vent um einen Beaujolais und damit um die Rebsorte „Gamay“ handelt. Dafür war der Zustand des Weines schlicht sensationell. Obwohl ich mit Deinen Punkten ja übereinstimme.

    Zu den deutschen Burgundern. Den 2002er Spätburgunder Selection vom Weingut Benderhof hast Du ja unterschlagen. Sind ja immerhin 7 Jahre und „0“ Eremüdungserscheinungen gewesen, oder?

    Gruß
    Norbert

  3. Hi Norbert,

    der Beaujolais alter Machart kann durchaus auch aus 100% Pinot Noir bestehen oder einen Anteil erhalten.

    @Peter
    vor wenigen Wochen hatten wir einen absolut stabielen und noch immer präsenten

    1872 Aßmannshäuser (Spätburgunder)

    Der Knabe hat die Zeit überstanden.

    Probieren geht über studieren ;-))

    Gruß

    Uwe

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